(0531) 8 89 18 93 info@myliberation.de

Clever sein und diskutieren oder

31.01.2017

TRUMPets of Jericho

 

 

 

 

 

Die Bibel berichtet von der Zerstörung der Stadtmauern der historischen Stadt Jericho. Die Mauern der Stadt sollen gefallen sein, nach dem eine Gruppe Priester sie tagelang mit dem Lärm ihrer Widderhorn-Trompeten bearbeitet hatten. Unter nervtötenden Beschallung wurde wohl auch die Moral der Einwohner gebrochen.

Heute, im Januar 2017, hat man fast das Gefühl eine Wiederholung der Geschichte zu finden. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde Donald J. Trump zum 45. Präsidenten gewählt. In einem katastrophalen und langen Wahlkampf hatten seine Gegenkandidatin, das „Sicherheitsrisiko“ Clinton und der „frauenfeindliche“ Chef im weißen Haus reichlich Gelegenheit ins Horn zu stoßen. Das sich überhaupt zwei Kandidaten mit derart großem Ballast durchsetzten, ist an sich ja Armutszeugnis für ein Land mit 320 Mio. Einwohnern. Nebenbei bemerkt: auch die Hauptkonkurrenten im Vorwahlkampf sind alles andere als Idealbesetzungen. Mit Ted Cruz wäre dort ein Tea-Party-Sympathisant gewesen - den Aufruhr könnte man vorhersehen. Und auf der anderen Seite der „Sozialist“ Bernie Sanders. Der, übrigens mit Trump auf einer Linie was den Krieg in Syrien angeht, verstärkt auf Einkommensumverteilung setzte. Man könnte meinen, dort wurde ein gigantischer demokratischer Belastungstest ins Leben gerufen...

Fragt sich nur, was man am Ende zum Einsturz bringen möchte. Das eine Wahl ein solches Zerwürfnis zwischen den Lagern erzeugt, ist für eine Demokratie durchaus bemerkenswert. Das dürfte an den sehr viel schlechten und nicht überprüften Informationen der jeweiligen Seiten zu tun haben. Die Sichtweisen könnten unterschiedlicher nicht sein.

Aus der Perspektive von THE DONALD stellt er die Person dar, die nach jahrelanger Verkrustung der amerikanischen Politik und die enge Verknüpfung mit Wirtschaftsinteressen aufbricht. Das ist das Gefühl, solange man ,wie er, außerhalb der Mauer ist. Mit allen verfügbaren Mitteln möchte man ins Innere gelangen. Ist man allerdings erst einmal drin, dann kann man sich nur auf zwei Arten behelfen. Entweder man arbeitet mit den bereits Anwesenden zusammen oder man errichtet sein eigenes „Establishment“. Für den Wähler ändert sich somit aber fast nichts.

Dann gibt es die Perspektive vom Rest der Welt. Ich bleibe der Einfachheit halber bei Europa. Von hier sieht es so aus, als ob Donald Trump alles Bewährte zum Einsturz bringen möchte. Die „Überraschung“ bei den ersten Amtsgeschäften ist dennoch seltsam, hatte der neue Präsident ja nie etwas anderes angekündigt.

Ignoriert man die Unsicherheit die Trump mit wechselnden Einschätzungen verbreitet, so hängen die Konsequenzen aber von der Stabilität der Mauer im europäischen Gedanken ab. In dem Moment wo die Europäer sich nur noch um Tweets aus dem weißen Haus kümmern, bröckelt es hier an allen Ecken und Enden. Besinnt sich Europa aber auf seine Einheit, können die amerikanischen Trompeten noch so laut schallen. Unglücklicherweise wird sehr wenig Wert darauf gelegt ein selbstsicheres Europa mit klug ausgehandelten Handelsverträgen zu schaffen. Es spricht ja überhaupt nichts dagegen, Verträge an Veränderungen in der Welt anzupassen und neu zu verhandeln. Und dabei auch die Bedenken der verschiedenen Nationen zu berücksichtigen.

Die -möglicherweise überzogene- Angst vor der neuen US-Führung wird dankbar dazu genutzt eigene Probleme aus der Sichtlinie zu befördern. So wurde kurz nach der Wahl eine kleinere italienische Bank mehr oder weniger im Schatten „gerettet“. Und das gegen geltende Regeln und alle Versprechungen, weil Italiens Banken eben weit wichtiger als die griechischen sind.. So hart Trumps wirtschaftlicher Kurs für Europa werden könnte, wenn hier so verfahren wird, brauchen wir keine „TRUMPeten“ um uns in Schwierigkeiten zu bringen.

Es gibt in Präsident Trumps Handeln viele Aktionen die man kritisch hinterfragen muss. Da es aber sehr gut ins Bild passt, möchte ich noch ein paar Zeilen zu einer echten Mauer schreiben. Und zwar der, die nun entlang der mexikanischen Grenze „neu“ entstehen soll. Man kann so ein Vorhaben sicher kritisieren. Allerdings erst, wenn man sich die aktuelle Situation an der amerikanisch-mexikanischen Grenze genau angeschaut hat. Es ist beileibe keine Idee von Trump diese Grenze besonders zu sichern. Auch seine Amtsvorgänger -Demokraten wie Republikaner- haben die Grenzsicherung immer weiter vorangetrieben. Allerdings haben sich die gebauten hohen Zäune und die lückenlosen Grenzpatrouillen auch nicht als Allheilmittel bewiesen. Tragischerweise ertrinken oder verdursten viele der illegalen Einwanderer im unwirtlichen Grenzgebiet. Bemerkenswert ist, dass die meisten dieser Menschen keine Mexikaner sind, sondern aus Ländern südlich des Azteken-Staats kommen.

Was einwanderungspolitisch noch nachvollziehbar ist, wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur schwer verständlich. Warum Trump die Schutzmauer mit ökonomischem Druck unter anderem in Form von Zöllen verknüpft ist kaum zu verstehen. Schließlich rekrutieren viele Firmen im Südwesten der USA ihre Arbeitskräfte aus Mexiko. Und das mit gutem Grund. Für beschwerliche oder schmutzige Jobs lässt sich kaum noch ein Amerikaner finden. Es sei denn man würde ihm unwirtschaftlich viel bezahlen... Das könnte viele US-Betriebe in existenzielle Nöte treiben. Wenn sie dann für die Waren auch noch mehr zahlen müssen – die Folgen sind unabsehbar. Um nach Jericho zurückzukehren – der Präsident wird sein Verständnis von Wirtschaft überdenken müssen. Wenn er diese handelshemmende Mauer in seinen Denken nicht beseitigt, schafft er im Süden mehr Probleme als er löst.

Die Politik „America first“ ist für einen US-Präsidenten beileibe keine Überraschung. Schließlich ist er seinen Wählern und Landsleuten verpflichtet und muss deren Interessen vertreten. Dazu gehört aber eben auch ein funktionierender Austausch von Waren und Wissen. Und um dies zu gewährleisten müssen auch die USA sowohl freien Zugang zu anderen Märkten haben, als auch selber ihren Markt offen halten.

Das große, überstrapazierte Schlagwort ist hier „Globalisierung“. Hier wird oft unterstellt, dass der Welthandel als solcher den Menschen nicht mehr gefällt. Es scheint aber viel mehr einen ganz anderen Knackpunkt zu geben. Übermächtige und scheinbar nicht mehr verdrängbare Konzern werden von vielen als ungerecht empfunden. Gefühlt streichen diese die anfallenden Gewinne ein, während der einfache Erdenbewohner nur immer dann gefragt wird, wenn irgendwo Hilfs- und Rettungsaktionen anstehen. So verstehe ich auch die -eigentlich linke - Position der neuen US-Regierung. Verbindet man völlig unterschiedliche Interessen und Wirtschaftsansätze in einem großen Vertragswerk, dann führt das zwangsläufig zu Ungerechtigkeiten. Aber wird man deshalb gleich den freien Handel in Frage stellen? Eher nicht. Schließlich profitieren auch rückständige Staaten von den Entwicklungen des Fortschritts. Aber eben nur dann, wenn dieser auch bei Ihnen ankommt.

Ich gehe davon aus, dass die USA eben keinen klassischen Protektionismus wollen. Vielmehr dürfte es dahin gehen, einzelne, genau abgestimmte Abkommen mit wenigen Vertragsparteien zu vereinbaren. So gut eine große gemeinsame Linie für viele in den Wachstumsjahren der aufstrebenden Nationen (Brasilien, Russland, China, Indien, usw.) war, so sehr hat die Zeit die Lage verändert. All diese Länder haben jahrzehntelang von uns gelernt. Nun haben sie mit Know-How und Engagement eine eigene Wirtschaft aufgebaut, die zu unserer konkurrenzfähig ist. Die alten Verträge passen einfach nicht mehr zu unserer Welt. Was also spricht dagegen neue Wege zu bestreiten. Denn Fortschritt bringt immer auch Wandel mit sich!

Es wird sicher spannend wie sich diese Verträge gestalten lassen. Darum sollten insbesondere die Europäer sich aller ihrer Vorzüge bewusst sein und diese auch als Pfund in jede Verhandlung mit einbringen. Schließlich ist Handel immer der Austausch von Waren und Dienstleistungen und damit keine Einbahnstraße.

Für den Anleger ergeben sich daraus zahlreiche Chancen. Als Beispiele für Europa sehe ich hier vor allem Zukunftstechnologien. Mit weniger Abhängigkeit von den USA entstehen attraktive Möglichkeiten in der IT oder bei der Energieerzeugung. Und zwar, weil man etwas entwickeln MUSS, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Aber auch wenn sie aufgrund vieler Krisen und unbewältigter Probleme nicht an Europa glauben, haben sie gute Karten. Chinesische Firmen, die das Image der Billigproduzenten längst abgelegt haben, sind auf jeden Fall zu beachten. Interessante Bereiche sind hier Unterhaltungselektronik oder Autobau. Oder sie sehen sich die guten alten USA an. Manager mit Weitblick werden das Ansehen amerikanischer Technik und starker Marken zu nutzen wissen. Das ermöglicht es Ihnen viel individuellere Produkte für einzelne Regionen anzubieten.

Unter dem Strich erlaube ich mir folgendes Urteil. Man mag Donald Trump persönlich mögen oder nicht. Ich finde die meisten Ansätze seines Wahlprogramms in der Umsetzung und in der Sache falsch, muss aber dennoch betonen, dass es nie schaden kann auch schmerzhafte Veränderungen in Betracht zu ziehen. Am Ende muss jeder, der nicht Mr. President ist, sich eigenständig informieren und seine individuellen Schlüsse ziehen. Trump ist der gewählte Präsident und wird es auch aller Voraussicht nach bleiben. Anstatt jetzt zu Demonstrieren, hätte man die Menschen vor zwei Monaten überzeugen müssen. Doch dazu wäre der Dialog mit dem Gegner nötig gewesen. Denn nur in offenen Gespächen lassen sich Meinungen verändern.

Und vor allem diskutieren Sie mit anderen, ohne den Ansprechpartner missionieren zu wollen.. Ganz besonders wenn diese eben nicht Ihrer Meinung sind. Lassen Sie sich dabei auch von den lauten Trompeten nicht ins Wanken bringen. Das ist der einzige Weg zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen. Wer engstirnig und dickköpfig ist, kann auf lange Sicht nur verlieren.

*Also, liebes Europa. Anstatt sich neuerdings an jede Kritik an den USA zu hängen, solltest Du lieber eine eigene Identität entwickeln. Zumal wir bei den selben Fragen genauso keine funktionierende Antwort parat haben. Nach all den Jahren in denen man Drohnenkriege oder Umstürze mit zahllosen Opfern zumindest toleriert hat, wirkt die aktuelle Bestürzung auch etwas unglaubwürdig. Es gibt ausreichend Probleme, die nach europäischen Lösungen verlangen. Da solltest Du dich mal ran wagen. Dann besteht nämlich noch eine weitere Chance. Fähige Leute aus den USA oder Großbritannien dürften auf der Suche nach mehr Sicherheit neue Herausforderungen suchen. Wenn Sie diese in der EU (oder Deutschland) finden würden, kann das in vielen Sektoren ein belebendes Element werden.*

Ach, die Geschichte von Jericho zeigt noch etwas anderes. Historiker haben bestätigt, dass sich die Geschichte so nicht abgespielt haben kann. Es gab zur Zeit der Überlieferung dort überhaupt keine Städte mit echten Stadtmauern. Es handelt sich also eher um eine Legende. Heute würden man wohl Fake News sagen. Die Botschaft ist aber eindeutig. Wer im lauten Trompetenschall die Nerven verliert, der verliert auch die „Stadt“.

 

Rock on,

Ihr

Andreas Neumann

 

#Haftungsausschluss: Dieser Text spiegelt nur die aktuelle Meinung des Verfassers wider. Er stellt keine Handlungsempfehlung dar. Alle gemachten Äußerungen gelten für den Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.