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Digitalisierung 0.1

10.02.2018

Digital Burnout


 

 

Wohl kaum ein Wort wird seit Monaten so uninspiriert in die Menge geworfen wie das Wort Digitalisierung. Das verwundert auch nicht besonders. Schließlich galt es für alle Parteien sich zu Bundestagswahl mit Themen zu identifizieren, die den Menschen am Herzen liegen. Und was klingt da moderner und zukunftsorientiert wie irgendwas mit Web, Internet und Computer. Leider ist es -auch Jahre nach Kanzlerin Merkels Aussage- offenbar immer noch für viele „Neuland“. Gerade den lautesten Rednern scheint oft das Verständnis für die von ihnen ausgerufene digitale Welt zu fehlen.

Nun soll also der Digital-Pakt kommen. Allein das Wort wirft bei mir schon einige Fragen auf. Wie sieht ein solcher Pakt aus? Weniger verschwörerisch klingend werde ich den Begriff „Vertrag“ bevorzugen. Wer sind da die Vertragsparteien? Die neue Regierung kann ja nur als ein Vertragspartner gelten. Und worum geht es? Man will 5 Milliarden Euro in die Digitalisierung von Schulen stecken. Leider hätte man dies auch schon vor Jahren machen können. In der Planung war der Pakt längst. Offenbar wurde dem keine größere Rolle zugeschrieben – bis jetzt.

Damit Sie mich richtig verstehen. Ohne hervorragende Bildung gerät Deutschland im Wettbewerb ins Hintertreffen. Also ist absolut richtig dort am Puls der Zeit zu sein. Wenn man sich die Pläne näher anschaut, ergibt sich ein anderes Bild. Es hat mehr was von einer optischen Maßnahme. Man führt ein paar neue Geräte ein und lässt Lehrer über soziale Netzwerke referieren. Das ist nicht der ganz große Wurf. Für mich stellt sich die Frage nach dem zusätzlichen Nutzen der Investitionen. Welcher Mehrwert wird durch eine elektronische Tafel geschaffen? Welche Verbesserung bringt ein (noch) schnellerer Internetzugang in einer Schule? Die gleiche Frage gilt für die Einführung von WLAN. Fördert neue Hardware in großem Maß das Interesse von Schülern und Studenten am Programmieren? Viele weitere Fragen werde ich im weiteren Verlauf noch ansprechen.

Für eine kleine Einordnung ist es notwendig sich mit dem Begriff kurz zu befassen. Im Grunde geht es darum analoge Daten in digitale zu verwandeln. Die digitalen Daten werden also immer von einer analogen Basis abgeleitet. Man könnte also sagen, dass Digitales ohne Analoges gar nicht existieren würde.

Also ein Exkurs in die analoge Umwelt. Zugegeben – ich habe lange keine Schule oder Universität mehr von Innen gesehen. Wenn ich aber meine Erfahrungen einfach fortschreibe – und ich glaube nicht, dass sich in 20 Jahren viel geändert hat – gibt es naheliegendere Probleme. Wieso sitzen in Schulen Kinder mit 1,50 m Körpergröße auf den selben Stühlen wie Erwachsene mit 1,90 m? Wenn man die Gesamtqualität der Bildung verbessern will, sollte man zunächst dafür sorgen, dass die angehenden Gebildeten nicht mit Folgeschäden ins Berufsleben starten. Auch das Lernen fällt sicher leichter, wenn man entspannt und bequem sitzen kann. Möglicherweise erhöht das sogar die Qualität.

Was ganz sicher das Bildungsniveau steigert ist dagegen offensichtlich. In den nächsten Jahren droht ein massiver Mangel an gut ausgebildeten Lehrern. Sollten sich die Kultusminister nicht auf die Einführung von Onlinekursen, Androiden oder Roboterlehrern einigen wird die Zahl der Absolventen nicht ausreichen um den Bedarf zu decken. Ein Anreizsystem für moderne, junge und engagierte Lehrer ist darum ein Muss! Insbesondere weil die Aufgaben trotz -oder gerade wegen- des erhöhten Technikeinsatzes steigen. Individuelle Förderung oder Integration erfordern menschliches Einfühlungsvermögen. Der Spagat für die Lehrer wird hier massiv unterschätzt.

Um den Übergang von diesen rein analogen Fragestellungen zu dem was unter Digitalisierung verstanden wird zu schaffen, hier ein kurzer Gedanke. Ein Klassiker der Mathematik ist die Kurvendiskussion. Vereinfacht geht es darum wichtige Punkte eines Kurvenverlaufs exakt zu bestimmen. Der Ablauf ist dabei immer gleich, muss aber erlernt und beherrscht werden. Dafür ist es aber völlig egal, ob man die Berechnung im Kopf, auf einer Kreidetafel oder einer Tafel aus Licht (Whiteboard) durchführt. Während das Erste immer notwendig ist, stellt die Lichttafel nur eine moderne Möglichkeit dar einen Prozess sichtbar zu machen. Derjenige, der die Lichttafel erfunden hat, tat dies mit viel Wissen und angelernten Fähigkeiten, aber garantiert ohne Whiteboard.

Somit wird auch der interaktive Nutzen in vielen Fällen überschätzt. Die Suche nach Lösungen basiert auf Gesprächen und Versuchen mit Gegenständen und nicht darauf unzählige falsche Lösungswege aufzuschreiben und wieder zu löschen. (Natürlich ist letzteres immer Bestandteil der Suche. Ich möchte aber auf die Notwendigkeit der Kommunikation hinweisen. Denn ohne Rückmeldung werden falsche Ansätze nicht gelöscht.)

Warum ich mit den publikumswirksamen Ideen zum Thema so meine Schwierigkeiten habe, erfahren Sie in der Fortsetzung an dieser Stelle. (Ende Einführung)